Sonntag, 18. Januar 2015

Die Zierfelge

Unter allen Autozubehör-Teilen zeigt die Felge die breiteste Variation. Warum das so ist und wie Individualisierung im Radkasten funktioniert, untersuche ich in meinem Buch "Dr. Pauser´s Autozubehör":



Das Rad wird täglich neu erfunden. Als gelte es, der Einfalt der Kreisform zu trotzen, ist die Felge von einem Variationskult befallen, der Formen wuchern läßt, wo die Funktion schweigt, weil diese immer schon unverbesserlich erfüllt ist. „Mehr als 300000 Größen und Einpreßtiefen von 13 bis 17 Zoll sind Bestandteil des PLS-Programms, des größten Felgenprogramms in Deutschland.“ Neben diesem gibt es unzählige andere, von „Artec“ bis „Zender“. Während die Produktion der Autos sich global fusioniert, zersplittert sich die der Felgen, weil ihr Sinn darin besteht, die Formenvielfalt so unübersichtlich zu gestalten, daß das Produktversprechen, dem Fahrzeug „Glanzpunkt und persönliche Note“ sowie „den Look der Extravaganz“ (D&W-Katalog) zu verleihen, plausibel erscheint.



Als Einstiegsdroge in den Felgenkult mag die „Radblende aus hochwertigem Polyamid in Erstausrüsterqualität um 82 DM“ genügen, sie gehört noch der alten Ordnung der Deckel an und simuliert bloß die Zierfelge. Für den Freak liegt in der Oberklasse ein „Komplettradsatz um 9500 DM“ bereit: „Diesen braucht Ihr Automobil für den Durchbruch in eine andere Dimension“. Daneben gibt es Feinheiten: Männer erreichen mit dem „Power-Screw-Umrüstsatz die Zentralverschluß-Optik“, Frauen freuen sich am „Dekorset für Bärchenradblenden“. Die „unschön wirkende Trommelbremse wird durch eine elegant gelochte Bremsscheibenattrappe verdeckt“, während die Scheibenbremse eine Hervorhebung durch „roten Bremssattellack“ verdient.

Am Luftloch scheiden sich die Geister: Die einen wollen es durch ein vielfärbiges „Aircontrol-Ventilkappen-Set“ akzentuieren, den anderen ist es peinlich: Damit „das Erscheinungsbild der Leichtmetallfelge nicht durch ein Ventil am Felgenrand beeinträchtigt wird“, verbirgt das Modell „Antera“ das Stöpselchen „im Nabenbereich unter einer Kappe“. Nur die Marke „Ferrara“ mit ihrer verlogenen Anlehnung an „Ferrari“ verrät die Wahrheit, indem sie ein Wappen im Zentrum des Rades plaziert. Schließlich dient die Felge am Auto primär der Darstellung von Individualität. 

James Bonds Aston Martin nach dem Vorbild von Ben Hur. Bildquelle: Die Welt 

Was aber bedeutet das für die gesellschaftliche Konstruktion von Individualität? Bäumt sich in der dysfunktionalen Ausdifferenzierung des Felgenkults das Singuläre gegen das Allgemeine auf zur Rettung der Person vor der Massenproduktion? Wo anders als im Radkasten gibt es überhaupt noch Individualität für aufgeklärte Wesen, die zur Kenntnis genommen haben, daß sie bloß Epiphänomene der seriellen Kombinatorik genetischer Elementarteilchen sind; daß Seelenausdruck die Performanz eines romantischen Codes ist; daß jeder innerste Gedanke ein Fall von Diskurs und die äußere Erscheinung bloß ein Signifikant im Sprachspiel der Mode ist? 



Die ohnehin von vornherein gegebene und unabstreifbare Individualität ist nur scheinbar ein knappes Gut, sie wird von der Massenanfertigung nicht zerstört, sondern als Objekt der Begierde allererst konstituiert. Das Industrieprodukt Felge ist zugleich Medium fürs Dementi seiner Serialität. Während ein Markenzeichen Individualität in Form eines bedeutungsgeladenen Namens symbolisiert, verfolgt die Felge die gegenteilige Strategie, durch bedeutungslose Leerformen das Singuläre als etwas Nichtkommunizierbares real werden zu lassen. Aus Felgenformen läßt sich nichts herauslesen, für die ornamentalen Variationen gibt es keine Begriffe. Sie demonstrieren Individualität als pure Abweichung und geben zu erkennen, daß das Sinnlose der Stoff ist, aus dem das Eigenste besteht. Willkürliche Verästelungen von Aluminiumstreben, die blinkend um ein leeres Zentrum kreisen, setzen in Szene, daß man alles, was an einem einzigartig ist, nicht mit anderen teilen kann. An ihren Felgen sollt ihr sie erkennen, nicht jedoch als bestimmte, sondern als ausgestattet mit etwas, das sich allen Bestimmungen entzieht. Nur in demonstrativer Sinnlosigkeit kann Singularität zur Erscheinung kommen. Was Adorno das „Nicht-Identische“ nannte, wurde im Felgenkult käuflich verfügbar.

Erfahrung wie Befahrung sind ein Aneinandergeraten von Ich und Welt - an der Grenze zwischen Auto und Straße stellt die blitzblanke Felge das fortwährende Herausgehobensein aus fremder straßenstaubiger Umgebung sicher. Die Streitwagenräder von Ben Hur bis James Bond sind bloß Urahnen der modernen Zierfelge, die als Wappenschild sinnbefreiter Individualität ihre zeitgemäße Funktion hat. 


Vom Schnauzentier zum Mäusenest

Geschrumpft und gestopft, selbstbeherrscht und fugenfrei hat sich das Auto an die weibliche Zielgruppe angepasst


Die Zeiten, in denen Autofahren als Männerdomäne galt, sind lange vorbei. Dass auch die weibliche Hälfte der Menschheit Autos kauft und Autos fährt, ist heute selbstverständlich. Doch in den Jahrzehnten des Übergangs musste die Automobilindustrie erst lernen, ihr Produkt fit zu machen für die Wünsche der wachsenden neuen Zielgruppe Frau. Im Jahre 1998 beauftragte mich DIE ZEIT, die Pariser Automesse zu besuchen und dort dem Wandel der Geschlechterverhältnisse auf den Grund zu gehen:


Der Herbst ist da, er bringt uns neue Autos. Auf dem Pariser Autosalon haben die Konzerne gewaltige Bühnen aufgebaut. Ohne Umrahmung durch ein Gesamtkunstwerk ist ein Auto heute nicht mehr präsentierbar. Musik, Tanzshows und Lichterzauber gewinnen im selben Maße an Bedeutung, wie die Aura der technischen Innovation verblaßt. Für die Darstellung jener neuen Mercedes-Sitze, die einen warmen Wind gegen das Gesäß blasen, was einer totalen Umkehrung der bestehenden Verhältnisse gleichkommt, hat die Berliner Multimedia-Firma "Triad" Segel aufgespannt - zwecks interaktiver Projektion. Dem Laien bleibt die vielbejubelte Großartigkeit von Innovationen wie dem Fensterheber-Notstop des Mazda 323F verborgen. Doch die Liebe zum immer filigraneren Detail verbindet die Automobilhersteller mit dem Automessenpublikum, nicht zuletzt mit den Motorjournalisten. Inmitten der Fülle kleinster technischer „Lösungen“ ist die Sicht aufs Ganze getrübt. Doch im Raum steht die Frage, wohin das Auto insgesamt unterwegs ist. Wie es die Gesellschaft spiegelt, den Einzelnen umkleidet und das gewandelte Geschlechterverhältnis verkörpert.

Morgens vor dem Portal des Autosalons bietet sich ein selten gewordenes Bild der Geschlechtertrennung. Es sind fast nur Männerköpfe, die da Schlange stehen. Vom Hinterhaupt leuchtet als weißer Fleck das immergleiche Haarproblem, aus den Augen die Gier nach dem Porsche Cabrio. Dieses gilt als Frauenfalle. Leider nur unter Männern. Denn Frauen gehen mit Autos, wie psychologische Studien beweisen, mehr „vernunftgesteuert“ um.

Nicht Ausgrenzung, sondern schlichtes Desinteresse am Autoprunk ist für die geringe Zahl weiblicher Besucher verantwortlich. Nach dem Einlaß in die bunten Bühnen der Konzerne wandelt sich das Bild, denn auf den bunten Bühnen der Konzerne warten Hostessen, die so zahlreich, jung und außerordentlich hübsch sind, daß die männliche Konzentration aufs Autodesign schweren Schaden leidet. Wer jenseits seines Fernsehgeräts eine Mädchenschar von bezaubernder Schönheit zu betrachten wünscht, kommt um den Besuch einer Automesse nicht herum.

Diese Inszenierung eines idealtypischen Patriarchats, in dem das Auto noch „reine Männersache“ wäre, beschränkt sich jedoch auf die Präsentation. Die neuen Autos passen in diese Urszene immer weniger hinein. Die in den Siebzigerjahren gern geäußerte Kritik an der phallischen Kühlerhaube, die für den Autowahn verantwortlich sei, indem sie Männer zum Kauf verführe, verfängt nicht mehr. Denn die Frau als Autokäuferin hat die lange Schnauze kräftig zurückgestutzt und den Akzent auf die Größe der Heckklappe und des Stauraums verlagert. Der Wunsch nach Kinderwagentauglichkeit ist nicht minder erotisch triebhaft motiviert als der männliche nach dem Boliden – er ist bloß weiblich und genießt daher den Anschein höherer Moralität und Vernunft. So wandelte sich das Auto tendenziell vom Streitwagen zur Festung, vom Reittier zum Mäusenest, von der Jagdwaffe zur Familienhöhle mit integriertem Einkaufskorb. Selbst der leistungsstarke Audi A6 Avant Biturbo wird damit angepriesen, daß für seinen Kofferraum ein Doppelkindersitz entwickelt wurde.

Freilich stehen die Männer nirgendwo so dicht gedrängt wie um den "De Tomaso Mangusta“ (305 PS), doch derlei böse Schnauzentiere nehmen sich inmitten der Mehrheit versachlichter Zügelungen verschwindend aus. Die Gegenform des Keils, die mit kleinem Motorraum und aufgeblähtem hinterem Volumen den Motiven des Bergens und In-sich-Sammelns alle Rechte einräumt, ersetzt das männliche Prinzip der Weltpenetration durch das weibliche der Ladeluke und des schützenden Transports. Für den Interessenskonflikt der Geschlechter wurde eine geniale Lösung gefunden: Männer- und Frauenfahrzeug vereinen sich zum gemeinsamen Ei. Die Ei-Form dominiert, geduckt, gebeult oder ein wenig plattgequetscht, das Automobildesign. Nicht nur in der Silhouette, sondern auch in der Gestaltung der Fenster-, Licht- und Cockpitzonen. Der New Beetle von VW treibt die Manie des Runden auf die Spitze.

Die Trendwende vom lustvollen Risiko, wie es in der Männerdomäne des Rennsports immer noch vorherrscht, zum gepolsterten Panzer und zur rollenden Knautschzone steht mit der Feminisierung des Autos in engem Zusammenhang. Für den Airbag wird mit der Metapher eines Kondoms geworben, der Doppelairbag gar mit einem prallen Busen verglichen. Schon mit dem „Mazda-Baby“ und nun dem „Renault Twingo2“, der Alleinerziehenden wenigstens formal den Traum vom Großfamilienbus erfüllt, wurde der Weg zur Symbolisierung weiblicher Wünsche eingeschlagen - erfolgreich, denn damit gewinnt das Auto an Immunität gegenüber der traditionellen Kritik. Was Frauen wünschen, kann so weltzerstörerisch nicht sein.

Das Familienauto von einst war ein rollendes Wohnzimmer, gesteuert vom Papa; man saß auf einer Bank und hatte genug Raum, um den eigenen Körper von dem des Fahrzeugs unterscheiden zu können. Heute ist man im Auto eingekapselt, plüschweiche Ergonomie drängt sich an den Körper und läßt ihn mit dem Fahrzeug verschmelzen. Man schlüpft ins Auto wie in einen zärtlich weichen Handschuh, der einem – dank Elektroniksteuerung – behutsame individuelle Reaktionen verspricht. Im engen Kuschelcockpit wird man mit dem großen Autokörper eins. Ganz zurecht sagt man nach einer Kollision zweier Fahrzeuge: „Ich bin in jemanden ´reingefahren“.

Mit den Familien schrumpfen auch die Autos. Der Pariser Salon zeigt den historischen Sieg des Verkleinerungsprinzips. Mercedes hat seine S-Klasse um 300 Kilo erleichtert und deren mächtigen Motor durch automatische Zylinderabschaltung kastriert. Die daraus resultierenden sieben Prozent Spritersparnis sind eine höfliche Verbeugung vor dem Ökologiegedanken. Daß Daimler-Benz nun auch Kleinstautos baut, gleicht als Durchbrechung heiligster und ältester Gesetze einem Sündenfall, ja einer Abdankung der Großmannsucht. Größer, schneller, weiter, das sind Ziele von Gestern, der neue Wettbewerb heißt kleiner, leichter, sparsamer. Lächelnd und augenzwinkernd beteuern die bunten Smarties ihre Unschuld, während die New Beetles mittels Retro-Look in jene gute alte Zeit zurückreisen wollen, in denen das Auto noch als Lösung galt und nicht als Problem.

Um überleben zu können, hat das Auto sich die Mahnungen seiner Kritiker zu Herzen genommen und moralische Besserung gelobt. Sinnlos wäre es daher, sich über die Häßlichkeit, Ununterscheidbarkeit und Langweiligkeit der Designs zu beschweren: Äußere Unansehnlichkeit gilt heute als bester Beweis für innere Moralität. Die chromerzeugende Industrie wird an der Moralisierung des Autos zwar zugrundegehen, der Autokauf jedoch an Legitimität gewinnen und entsprechend zunehmen.

Phantastische Wünsche und technische Funktionen sind im Autobau keine Gegensätze. Der moderne Wagen vereint die metaphorischen Qualitäten eines aggressiven Projektils mit denen einer behütenden Wonnekapsel. Technik scheint immer vernünftig, egal, welchen Verwendungsstilen und Zwecken sie dient. Denn was immer sie unter dem Titel der „Effizienz“ einspart, verschiebt sie nur hin zu einer anderen symbolischen Verausgabung. Ob man um die Beschleunigungswerte zwischen zwei Ampeln konkurriert oder um Spritverknappung, macht für die Lust keinen Unterschied. Und für den Rohstoffverbrauch auch nicht, denn selbst die größte Einsparung wird durch das wachsende Verkehrsaufkommen kompensiert.

Von den Lüsten viriler Jugendbanden, die ihre Auspufftöpfe aufbohren, um möglichst laut und Rauchschwaden ausstoßend um den Block zu knattern, ist das moderne Auto weit entfernt. Man will das Baby rein kriegen, es soll möglichst wenig trinken, bescheiden sein, klein bleiben, sich leicht handhaben lassen und hinten nicht stinken. Daß der individuelle Stoffwechsel des Autos gedrosselt werden muß, ist heute Übereinkunft, egal, wieviel Umwelt insgesamt durch die steigende Anzahl von Autos in Beschlag genommen wird. Und für die Demonstration von Ökogesinnung ist der modische Fahrradhalter auf dem Dach gut genug.

Das einzelne Auto wird sauberer, kein Zweifel. Doch auf seinem Lebensweg hinterläßt es Abfälle anderer Art, die für den Käufer unsichtbar bleiben und daher nicht so stark aufs Gewissen drücken. Die Techniken nämlich, mit deren Hilfe der Benzinverbrauch gesenkt wurde, sind hochgradig sensible elektronische Steuerungsmodule, die so kompliziert sind, daß sie nicht mehr repariert werden können, sondern nur noch insgesamt ersetzt und entsorgt. Blickt man den neuen Kleinwagen unter ihre Motorhauben, ist es mit der Idee der Verschlankung vorbei, denn eine verwirrende Fülle verkabelter schwarzer Kästchen staut sich eng gepackt hinter dem Blech. Nur äußerlich hat sich das Volumen des Fahrzeugs verkleinert, sein Inneres hingegen ist randvoll ausgestopft mit Maschinerie.

Die Anzahl der Teile ist kontinuierlich gewachsen. Gerade deshalb bemüht sich das Erscheinungsbild, mittels organischer Metaphern die Idee der mechanischen Zerteilung auszulöschen. Wie aus einem Guß muß das Ei sein, Fugen wollen bloß als Linien erscheinen, die Haut darf keine Löcher haben. Scheinwerfer und Heckleuchten wurden zu ovalen Zonen, die halb in den Kotflügel, halb in den Deckel des Motor- bzw. Kofferraums eingeschnitten sind, um deren Trennlinien großflächig zu überbrücken. Zudem wurde die Stoßstange abgeschafft und durch einen lackierten Wulst ersetzt – die Lackierer jubeln, die Versicherer weinen. Doch der elektronische Parkhilfesensor wird auch dieses Problem lösen. Wir können darauf vertrauen.

Die eben als Feminisierung skizzierte Entwicklung des Autos ist zugleich eine der Mäßigung, der Schuldabtragung und Bescheidung, der Nach-innen-Wendung des Außendrangs. Weil die Autotechnik aus den Exaltiertheiten des männlichen Balzverhaltens geboren wurde, ist die weibliche Domestizierung blecherner Imponiergebärden ihr zivilisatorisches Schicksal.

Jaguar verabschiedet den Zwölfzylinder und begnügt sich demonstrativ mit Achtzylindermotoren. Das Auto selbst ist vernünftiger geworden, nicht aber der gesellschaftliche Umgang mit ihm. Die ihm abgeforderte Vernunft hat es verinnerlicht und verdinglicht. Parallel zur Menschenseele wurde auch das Fahrzeug vom Zivilisationsprozeß erfaßt. Die in Einzelautos zerlegte und privatisierte Vernunft addiert sich jedoch zugleich kollektiv zu kultischen und wahnsinnigen Gebilden wie Rennen und Staus. Zum Glück! Denn andernfalls wäre das Leben in der Autogesellschaft äußerst langweilig und in der Folge das Auto gänzlich verzichtbar.

Zweifellos ist der neue "Golf IV" – ebenso wie der alte – ein äußerst vernünftiges Auto. Die Frage ist jedoch, was das für die menschliche Vernunft bedeutet. Ginge es beim Autofahren um einen technisch und kostenmäßig effizienten Ortswechsel, wäre das Auto längst abgeschafft. Doch sein Daseinsgrund ist ein Bündel an Lüsten, denen gegenüber die technische Rationalität nur psychische Rationalisierung ist. Im Kern ist das Auto ein vieldeutiges Symbol, das bloß äußerlich getarnt wird mit den Gesten technischen Fortschritts. Tausend kleine Effizienzsteigerungen einzelner Teile können nichts daran ändern, daß das Ganze des Autos keinen vernünftigen Grund besitzt.

Dies ist jedoch nicht zu kritisieren, im Gegenteil. Höllisch wäre vielmehr ein tatsächlich vernünftiges gesamtgesellschaftliches Transportsystem. Das Prinzip der Ameisenstraße, das von einigen Verkehrsplanern herbeigewünscht wird, brächte den Menschen nur in die Nähe zum Insekt. Der Wunsch nach Würde und Besonderheit, nach Verschwendung und heroischer Selbstgefährdung suchte sich augenblicklich ein neues ruinöses Terrain, um sich auszutoben.

Gegenüber den Freuden des Fahrens würde ein elektronisches Verkehrsleitsystem ähnlich wirken, wie es der Stau jetzt schon tut. Bei beiden handelt es sich um Formen der Beherrschung des Autos durch sich selbst. Nicht mehr weite Strecken, sondern fremde Wagen hemmen den Fahrer vor der Erreichung seines Ziels. Die Inszenierung der Messehalle dient dem Ausblenden jener anderen Autos, die draußen auch Frankreichs Luxussportwagen "Barchetta" trotz seiner 530 PS den Weg verstellen.

Mit der Schrumpfung seines Volumens reagiert das Automobil symbolisch auf die übermäßige Gesellschaft seinesgleichen. Freie Fahrt für freie Bürger wird es erst wieder geben, wenn die Zweidrittelgesellschaft zwei Drittel so arm gemacht hat, daß sich die Straßen wieder leeren. Für Autos und Umwelt wäre das ein ideales Biotop, ob für uns Menschen, bleibt fraglich. Bis dahin stehen wir lieber solidarisch im Stau und verzichten füreinander auf jenes rasche Vorankommen, das der ursprüngliche Zweck des Autos gewesen wäre.

Doch auch inmitten des staureichen Autosozialismus wollen wir uns sozial dadurch unterscheiden, ob wir auf echten Ledersitzen schwitzen oder zum Wurzelholzimitat für den Schaltknüppelknauf greifen müssen. Je größer der Stau, desto dringender wird der Wunsch nach einem stärkeren Motor. Auf den Verlust an äußerer Wirklichkeit des Vorankommens reagiert das Auto mit einer Steigerung seiner inneren Möglichkeiten. Geschrumpft, gestopft und fugenfrei verkörpert das rollende Ei den verinnerlichten Stau, die aufgestaute Potentialität.